Im neuen Kindes- und Erwachsenenschutzrecht wurde Jedem und Jeder die Möglichkeit gegeben, selber zu bestimmen, wer einen im Falle der Urteilsunfähigkeit vertreten soll.
Vormundschaftsrecht bis Ende 2012
Den Medien konnte entnommen werden, dass Autorennfahrer Michael Schumacher, welcher Ende Dezember 2013 beim Skifahren schwer verunfallte, keinen Vorsorgeauftrag errichtet hatte und deshalb seither sämtliche Entscheide über seine persönlichen, finanziellen und rechtlichen Angelegenheiten von der KESB gefällt werden. Der Laie wundert sich, aber der Fachmann kann erklären:
Bis Ende 2012 wurde jedem Einwohner(in), der seine eigenen Geschäfte infolge Geburtsgebrechen, Krankheit oder Unfall nicht (mehr) alleine erledigen konnte, ein Vormund zur Seite gestellt. Je nach Schwere der Einschränkung war dies ein Beistand, ein Beirat oder eben ein sog. Vormund. Dieses knapp einhundert-jährige Vormundschaftsrecht wurde per 1. Januar 2013 komplett revidiert und durch das sog. Kindes- und Erwachsenenschutzrecht abgelöst. Landläufig nennt man die neue Behörde denn auch „KESB“.
Ab 2013 Kindes- und Erwachsenenschutzrecht
Neben verschiedenen Unzulänglichkeiten, auf welche hier nicht weiter eingegangen werden soll, gilt als grösste Errungenschaft des neuen Rechts die Möglichkeit, seine eigene Vorsorge sowie Patientenverfügung selbst zu regeln. Und dies ist umso wichtiger, wenn man die demographische Entwicklung verfolgt: Obwohl (oder gerade weil) der Mensch immer älter wird (für Männer beträgt die Lebenserwartung gegenwärtig rund 82 Jahre, für Frauen 85), geht man heute davon aus, dass im Jahre 2030 jede achte Person (also knapp 13%) über 65 Jahren an Demenz erkranken wird. Das grösste Risiko ist also nicht der Unfall, sondern das Alter.
Vorsorgeauftrag für Private
Art. 360 ZGB formuliert klar und umfassend, was Inhalt eines Vorsorgeauftrages ist:
„Eine handlungsfähige Person kann eine natürliche oder juristische Person beauftragen, im Fall ihrer Urteilsunfähigkeit die Personensorge oder die Vermögenssorge zu übernehmen oder sie im Rechtsverkehr zu vertreten. Sie muss die Aufgaben, die sie der beauftragten Person übertragen will, umschreiben und kann Weisungen für die Erfüllung der Aufgaben erteilen. Sie kann für den Fall, dass die beauftragte Person für die Aufgaben nicht geeignet ist, den Auftrag nicht annimmt oder ihn kündigt, Ersatzverfügungen treffen.“
Es versteht sich von selbst, dass bei der Vermögenssorge sämtliche finanziellen Belange zu regeln sind, also nicht nur die klassischen privaten Bereiche, sondern auch Firmenanteile im Privatvermögen.
Vorsorgeauftrag für Unternehmer
Neben der privaten Vorsorge ist es geradezu unternehmerische Pflicht zu regeln, was bei (kürzerer oder längerer) Abwesenheit des Firmeninhabers, des CEO’s bzw. eines Entscheidungsträgers geschehen soll. So hat der Firmeninhaber die Möglichkeit, in seinem Vorsorgeauftrag die Stimmrechte und die Firmenpolitik bezüglich seiner eigenen Anteile zu regeln. Er kann (ergänzend) auch schon alleine dadurch vorsorgen, dass er seinen Verwaltungsrat vorgängig mit genügend vertrauensvollen Personen besetzt, welche in der Lage sind, das Unternehmen längere Zeit alleine erfolgreich zu führen. Mindestens ist einem bzw. mehreren langjährigen Mitarbeitern eine entsprechende Zeichnungsberechtigung zu erteilen, welche im Handelsregister eingetragen wird. Ideal ist dabei die Kombination beider Mittel.
Patientenverfügung
Neben der Möglichkeit, seine Vorsorge selber zu bestimmen, wurde im neuen Recht auch explizit die sog. Patientenverfügung geregelt. Hier geht es um die Frage, ob beim Ableben Organe des Verstorbenen weiterverwendet werden dürfen oder nicht und ob sog. lebensverlängernde Massnahmen durchgeführt werden sollen oder nicht. Ebenfalls kann eine Person (i.d.R. die gleiche Person, die im Vorsorgeauftrag bezeichnet ist) eingesetzt werden, welche als Ansprechperson gegenüber dem behandelnden Arzt/Ärztin gilt. Mittels einer Regelung zum sog. Sterbefasten kann sogar eine Lösung getroffen werden, wenn Institutionen wie EXIT usw. nicht mehr helfen können.
Formvorschrift
Der Gesetzgeber sieht die gleichen Formvorschriften vor, wie diejenigen des Testamentes, d.h. der Vorsorgeauftrag kann eigenhändig abgefasst oder beurkundet werden. Zu empfehlen ist in jedem Falle die Beurkundung durch einen Notar. Dieser stellt einerseits sicher, dass der Vorsorgeauftrag und die Patientenverfügung korrekt und zweifelsfrei formuliert sind und andererseits, dass die erlassende Person in diesem Zeitpunkt auch wirklich urteilsfähig ist. Ein mit krakeliger Schrift von einer Vorlage abgeschriebener Text, bei welchem zudem der Inhalt unklar oder widersprüchlich ist, bewirkt vielfach genau das Gegenteil von dem, was beabsichtigt war. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Patientenverfügung in den Vorsorgeauftrag integriert und damit mitbeurkundet wird. Damit der Vorsorgeauftrag im Falle des Falles auch aufgefunden wird, empfiehlt sich schliesslich die Registrierung in der zentralen Datenbank „Infostar“.
Zeitpunkt
Einzige aber wichtige Voraussetzung ist, dass die erlassende Person im Zeitpunkt der Erstellung des Vorsorgeauftrages urteilsfähig und mündig (also handlungsfähig) ist. Ist sie nicht mehr urteilsfähig (im Zweifelsfalle wird die Urteilsfähigkeit durch einen Arzt festgestellt) und wurde kein Vorsorgeauftrag erlassen, wird die KESB die Geschicke übernehmen. Hier gilt das Gleiche wie bei einer Versicherung: Ist das Haus abgebrannt, kann man es nicht mehr gegen Feuer versichern. Für einen Vorsorgeauftrag ist man deshalb (fast) nie zu jung, sicher aber nie zu alt.
Heute an morgen denken
Zurück zu Michael Schumacher: Hätte er die Einmischung der KESB vermeiden können? Ja: Mit einem Vorsorgeauftrag, kombiniert mit entsprechenden (General-) Vollmachten sowie einer darauf abgestimmten Regelung im Unternehmen wäre er optimal abgesichert gewesen.
Sind Sie es auch?